Von Aufstieg, Fall und Wiedergeburt der Streuobstwiese
„Streuobstwiese“ klingt nicht nach dem aufregendsten Ort der Welt, aber – wie du in diesem Artikel erfahren wirst – handelt es sich dabei um wahres Naturparadies, das wir unbedingt schützen sollten.
Streuobstwiesen zählen nämlich zu den artenreichsten und am meist bedrohten Biotopen in Mitteleuropa.
Warum ist ihre Fläche dann über die Jahre auf nur 300 000 Hektar in ganz Deutschland zurückgegangen? Wo sie noch dazu gesundes, regionales Obst liefern. Lies weiter, um die Antwort zu erfahren und herauszufinden, was TreePlantingProjects gegen diesen erschreckenden Trend tut.
Was ist eine Streuobstwiese?
Da es nur noch so wenige Streuobstwiesen gibt, magst du dich vielleicht sogar fragen, was das denn überhaupt ist. Streuobstwiesen (auch Streuobstgärten, Obstwiesen oder Obststreuwiesen genannt) sind eine traditionelle Form des Obstbaus. Auf solchen Wiesen stehen unterschiedliche alte hochstämmige Obstbäume verschiedener Arten und (regionale) Sorten verstreut (daher auch das „Streu-“ im Namen). Der große Abstand zwischen den Bäumen sorgt dafür, dass jeder Baum genug Platz und Licht zum Wachsen hat.
Obststreuwiesen haben zwei Funktionen. Die Bäume dienen der Obsterzeugung, die Wiese kann als Grünland, Mähwiese oder Viehweide für Schäfe oder Rinder genutzt werden. Man spricht von der Ober- und Unternutzung.
Obstwiesen zeichnen sich außerdem durch ihre artenreiche Flora und Fauna aus. Um die fünf Tausend Tier-, Pflanzen und Pilzarten gedeihen auf diesen Flächen. Damit spielen sie für die mitteleuropäische Biodiversität eine herausragende Rolle. Auf ihnen wächst Kernobst, wie Apfel und Birne, Steinobst, wie Pflaume und Kirsche, Quitten, Walnüsse oder Wildobst (u. a. Vogelkirsche, Elsbeere, Esskastanie und Maulbeere) und Wiesenkräuter.
Die Blüten dieser Bäume und Pflanzen ziehen viele Insekten, Bienen, Hornissen und Schmetterlinge an. Die Borke der Bäume bietet Käfer und Spinnen ein Zuhause.
Auch Vögel fliegen auf Streuobstwiesen: Steinkauz, Grün- und Buntspecht, Gartenrotschwanz. Auch Fledermäuse, Siebenschläfer und Igel fühlen sich hier wohl.
Aufstieg und Fall der Streuobstwiese: Vom Mittelalter bis heute
Streuobstwiesen haben über Jahrhunderte die mitteleuropäische Landschaft geprägt. Außerdem hatten sie kulturelle, soziale und ökologische Bedeutung.
Die ersten Streuobstgärten entstanden im Mittelalter. Sie wurden durch Edikte gefördert und in der Nähe von Klöstern angelegt.
In der Neuzeit schritten Züchtungen immer mehr voran. Das weitete den Obstbau in ganz Mitteleuropa aus. Weit verbreitet waren Streuobstwiesen in Süddeutschland, Österreich, Tschechien und in der Schweiz.
Im 18. Jahrhundert spielten sie eine größere Rolle für die Versorgung der Bevölkerung. Sie prägten die Landschaft um Dörfer und Städte (sogenannte Streuobstgürtel, die auch als Windschutz fungierten). Um 1800 kamen weitere Obstwiesen dazu, weil vielerorts der Weinbau aufgegeben wurde und auf ehemaligen Weinbergen Streuobst gepflanzt wurde.
Mitte 19. Jahrhunderts kam die künstliche Düngung auf. Nähstoffarme Böden wurden für den Ackerbau verwendet, schwer zu bearbeitende Hänge mit Streuobst bepflanzt.
Von Streuobstwiesen zu Obstplantagen
Das 20. Jahrhundert verlautete nichts Gutes für Obstwiesen. In den Zwanziger Jahren begann die Trendwende hin zu Obstplantagen. 1953 erklärte das deutsche Bundessernährungsministerium im Emser Beschluss, dass es für Hoch- und Halbstämme keinen Platz mehr geben soll. Streuobstwiesen wurden als betriebswirtschaftlich unrentabel erklärt.
In den 1960er- und 1970er-Jahren ging ihre Fläche dramatisch zurück. Ihre Rodung wurde in Deutschland sogar mit staatlichem Geld gefördert, um Platz für Obstplantagen, Wohn- und Gewerbegebiete, Straßenbau zu machen. Die Europäische Gemeinschaft förderte den Umbau zu Obstplantagen mit einer Rodungsprämie. Obstplantagen wurden als die Zukunft angesehen.
Man schätzt, dass Streuobstwiesen in Mitteleuropa zwischen 1965 und 2010 um bis zu 75 Prozent zurückgingen – und mit ihnen viele heimische Vogelarten.
In den Siebziger Jahren sah die Landschaft deshalb ganz anders aus. Die ersten Naturschützer forderten ein Umdenken. Seit den Achtzigern versuchen verschiedene Akteure – Naturschützer*innen, Landwirt*innen wie auch Keltereien – bestehende Streuobstbestände zu schützen. Seit diesem Jahrzehnt werden auch wieder Obstwiesen gepflanzt. Allerdings geschah das oft im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen und die entstandenen Streuobstwiesen waren nicht mit den früheren Naturparadiesen zu vergleichen.
Was sind eigentlich alte Sorten? Alte Obstsorten wurden entwickelt, bevor es Pflanzenschutzmittel gab. Sie sind deshalb sehr robust und werden auch von Allergiker:innen gut vertragen. Auf Streuobstwiesen werden gerne solche Obstsorten gepflanzt. Sie bringen oft weniger Ertrag, aber bessere Früchte.
Und heute?
Durch die Neu-Pflanzungen im späten 20. und 21. Jahrhundert konnte der Rückgang der Streuobstwiesen in vielen Regionen aufgehalten werden. Es gibt allerdings noch immer Bestandslücken.
Auftrieb bekam das Thema im Jahr 2019 im Zuge des bayerischen Volksbegehrens „Rettet die Bienen“. Darin wurde gefordert, Streuobstwiesen von mehr als 2.500 Quadratmeter in geschützte Biotope zu verwandeln. Einige Obstbauer*innen fällten daraufhin ihre Streuobstwiesen, um die Flächen weiterhin bewirtschaften zu können.
Streuobstwiesen vs. Obstplantagen
Streuobstwiesen sind eine traditionelle Form des Obstanbaus, später wurden sie von Obstplantagen verdrängt. Diese stellen eine modernere, intensivere Form des Obstbaus dar – die aber auch weniger für die Umwelt tut.
Das sind die Unterschiede zwischen Streuobstwiesen und Obstplantagen:
Obstplantage
Bäume: niederstämmig, dicht an dicht (erinnern eher an Büsche)
Baumarten: meistens Monokulturen
Einsatz von Pestiziden: werden mehrere Male pro Jahr gespritzt, Boden wird mit künstlichen Dünger aufbereitet
Artenreichtum: gering (auch wegen Einsatz von Insektiziden und Herbiziden)
Baumdichte: bis zu 3 000 Bäume pro Hektar
Ertrag: Vollertrag nach drei bis fünf Jahren
Streuobstwiese
Bäume: hochstämmig, in großem Abstand zueinander
Baumarten: verschiedene Alter, Arten und Sorten
Einsatz von Pestiziden: unüblich
Artenreichtum: bis zu 5 000 Arten
Baumdichte: 50 bis 120 Bäume pro Hektar
Ertrag: Vollertrag meist erst nach 10 Jahren, dann jahrzehntelang
Was man mit Streuobst anfangen kann
Streuobstwiesen liefern ihren Besitzer*innen Obst, das keine langen Transportwege zurücklegen muss und vollreif zu verwenden ist. Es kann erntefrisch gegessen werden oder zu allerlei Produkten verarbeitet werden, darunter:
- Säfte, Likör & Schnaps
- Gelee & Marmeladen
- Dörrobst
- Kuchen
Milch, Käse, Wurst und Wolle können auch als Erzeugnisse des Streuobstbaus gezählt werden, wenn Rinder und Schafe auf der Wiese weiden.
Außerdem liefern Streuobstbäume hochwertiges Holz, etwa für den Instrumentenbau.
Was du tun kannst, um Streuobstwiesen zu erhalten: Streuobstwiesen und ihre Besitzer:innen brauchen unsere Unterstützung – beispielsweise, indem du bewusst Obst und Obstprodukte aus deiner Region kaufst. Sei dir bewusst, dass du bei Streuobst vielleicht etwas mehr zahlen musst und die ein oder andere hässliche Frucht in Kauf nehmen musst. Der Geschmack wird dich aber überzeugen.
Streuobstwiesen in Mittelfranken: Ein Stück Heimatkultur
Auch die Heimat von TreePlantingProjects, Franken, war einst geprägt von Obstwiesen. Seit den 1960er-Jahren ist fast die Hälfte der Bäume verschwunden. Immer noch sind sie in Gefahr, wenn Neubaugebiete erschlossen werden sollen.
Ein Mekka für Streuobstwiesen-Fans ist das westmittelfränkische Burgbernheim am Trauf der Frankenhöhe. Hier gibt es ausgedehnte Streuobstwiesen mit insgesamt rund 30 000 Bäumen. Du kannst du sie bei einer Streuobstwiesen-Wandertour, einer Streuobstführung oder auf dem Streuobst-Erlebnispfad entdecken.
TreePlantingProjects setzt sich übrigens auch für unsere mittelfränkischen Streuobstwiesen ein. 2021 haben wir Petra und Harry im Landkreis Fürth geholfen, eine Streuobstwiese mit 40 verschiedenen alten Sorten anzulegen. Schon nach einem Jahr haben sich die ersten Tiere dort angesiedelt.
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