Recycling: Die unverpackte Wahrheit
Ab 2020 sollen an deutschen Supermarktkassen keine Plastiktüten mehr angeboten werden. So will es ein Gesetzesentwurf, den Bundesumweltministern Svenja Schulze Anfang September vorgelegt hat.
Zwar wäre ein solches Gesetz zweifelsfrei ein Schritt in die richtige Richtung – um den Einkauf im Supermarkt oder Discounter umweltverträglich zu machen, greift es aber leider zu kurz. Eine volle Einkaufstüte gleicht einer Matrjoschka-Puppe: Die Tüte selbst ist nur die äußerste Plastikschicht, unter der sich immer weitere erdölhaltige Schalen, Folien, Kapseln und „praktische Portionstütchen“ verbergen. Wer kennt sie nicht, die einzeln verpackten Schokoriegel, Waschmaschinen-Tabs und Teebeutel, oder die Käsepackungen, denen zwischen zwei Scheiben Molkeerzeugnis – quasi als Gratisbeilage – stets eine Scheibe feinster Polymerchemie beiliegt. Das Verbot von Plastiktüten in Supermärkten kann also nicht die Lösung sein, sondern höchstens ein Anfang.
Aber wir Deutschen sind doch Recycling-Weltmeister?!
Nun, zumindest sammeln wir fleißig Verpackungsmüll in gelben Kunststoffsäcken, deren Aufdruck stolz verspricht: „Dieser Recycling-Sack wurde aus Polyethylen hergestellt und wird innerhalb des Dualen Systems einer Wiederverwertung zugeführt.“ Und genau hier liegt der Knackpunkt. In die Weltmeister-Statistik fließt aller Müll ein, der dem Recycling-System zugeführt wird. Von den Inhalten unseres gelben Freundes aus Polyethylen beispielsweise, werden allerdings über 40% nicht zu anderen Kunststofferzeugnissen weiterverarbeitet, sondern verbrannt.
Außerdem gilt: Wo viel Müll ist, kann viel Müll getrennt werden. Im Rennen um den Weltmeistertitel im Recycling verschafft sich Deutschland so einen gewissen Vorsprung. Ein Verbraucher aus der Bundesrepublik verursacht nämlich im Jahr durchschnitt mehr als 600 Kilogramm Müll. Deutschland liegt damit im Wettbewerb um den meisten Abfall pro Person europaweit auf dem zweiten Platz. Dass es auch anders geht, zeigen beispielsweise die Belgier, deren persönlicher Müllberg zum Ende des Jahres um rund ein Drittel kleiner ist.
Müllvermeidung ist Mehrheitsfähig!
Warum also dieser Abfallwahnsinn, wenn es scheinbar auch bessere Lösungen gibt? Oft wird argumentiert, dass eben das angeboten werde, was „die Verbraucher“ gerne kaufen – und bestimmt entspricht das auch einem Stück weit der Wahrheit. Allerdings wird es Kunden häufig nicht gerade einfach gemacht. Das Problem beginnt in vielen Supermärkten schon wenige Schritte hinter dem Eingang, in der Obst- und Gemüseabteilung: Greift der mündige Verbraucher zur eingeschweißten Biogurke aus regionalem Anbau für 80 Cent? Oder nimmt er doch lieber die plastikfreie Alternative für 50 Cent mit, die dafür schon einige hundert Kilometer auf deutschen und niederländischen Autobahnen unterwegs war? Es ist nicht verwunderlich, dass einige Kunden mit solchen Entscheidungen überfordert sind und sich deshalb entweder willkürlich für eine der beiden Varianten entscheiden, oder sogar traurig und gurkenlos den Heimweg antreten.
Dabei wäre es den meisten Menschen gerade bei Obst und Gemüse lieber, wenn sie beim Einkauf auf unnötiges Verpackungsmaterial verzichten könnten. Dies wurde bereits 2015 in einer vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) beauftragten, repräsentativen Forsa-Umfrage festgestellt. Demnach kaufen 76 % der Befragten Obst und Gemüse am liebsten unverpackt. Nur 5 % würden eher zum verpackten Produkt greifen. Umso verwunderlicher ist, dass seitens des Gesetzgebers bisher eher wenig getan wurde, um dem Müllproblem Herr zu werden. Glücklicherweise gilt aber hier, wie bei vielen anderen Themen im Bereich Umwelt- und Klimaschutz: Wo die Politik schläft oder nicht willens ist etwas Neues auszuprobieren, schlüpfen Bürgerinnen und Bürger in die Pionierrolle und entwickeln frische Konzepte, um sich den Problemen anzunehmen.
Zero-Waste und die Erfolgsgeschichte der Unverpackt-Läden
Eine solche Pionierin ist auch Marie Delaperrière. Sie hatte eines Tages genug vom allgegenwärtigen Verpackungsmaterial und beschloss einen Laden zu eröffnen, in dem Kunden sich nach dem Einkauf nicht über Unmengen von sinnlos anfallendem Müll ärgern müssen. Inspiriert wurde sie zu diesem mutigen Schritt von der Zero-Waste-Bewegung, einer Umweltbewegung die um die Jahrtausendwende herum entstand, und sich im Social-Media-Zeitalter zu einem Lifestyle entwickelt hat. Die Kernprinzipien von Zero-Waste lauten „Reduce, Reuse, Recycle“, also vermeiden, wiederverwenden und wiederverwerten/aufbereiten. Und beim Vermeiden von Müll und Wiederverwerten von Verpackungsmaterial setzte Marie Delaperrière an, als sie 2014 in Kiel den ersten Unverpackt-Laden der Bundesrepublik eröffnete.
Hier bringen die Kunden ihre eigenen Taschen, Dosen, Flaschen, etc. mit. Im Laden werden die leeren Verpackungen dann gewogen und mit allerlei Waren des täglichen Bedarfs gefüllt. Nach dem Einkauf wandern die gefüllten Behälter nochmals über die Waage, das Leergewicht wird abgezogen der Verkaufspreis berechnet. Bei Unverpackt in Kiel bekommt man neben Obst und Gemüse auch Reinigungsmittel, Getreide, Kosmetik, Süßwaren und vieles mehr. Zum Laden gelangen die Lebensmittel entweder in Pfandflaschen und -kisten oder in großen Säcken und Kanistern. So wird der anfallende Müll auch in der Lieferkette auf das absolute Minimum beschränkt.
Wer jetzt enttäuscht ist, weil er/sie zukünftig auch gerne einkaufen möchte, ohne im Plastikabfall zu ersticken, sich regelmäßige Wochenendtrips nach Kiel aber in der persönlichen CO2-Bilanz schlecht machen würden, kann beruhigt sein. Denn das Beispiel von Marie Delaperrière hat Schule gemacht. Mittlerweile findet man in ganz Deutschland Unverpackt-Läden. Aktuell sind es rund 100 (Tendenz steigend) und sie sind in beinahe allen größeren Städten des Landes zu finden. Mit dem Unverpackt e.v. gibt es mittlerweile sogar einen Berufsverband der Unverpackt-Läden, der beispielsweise werdende LandenbesitzerInnen bei der Planung unterstützt. Außerdem bietet die Webseite des Verbandes eine praktische Übersichtskarte für den verpackungsfreien Einkauf in Deutschland.
Kein Unverpackt-Laden in deiner Nähe? Es gibt andere umweltfreundliche Alternativen!
Obwohl Deutschland mittlerweile von einem recht dichten Netz aus Unverpackt-Läden überzogen ist, lässt sich nicht leugnen, dass es, besonders in ländlichen Regionen, noch Lücken gibt. Aber gerade hier existieren viele Alternativen, um dennoch umweltfreundlich einzukaufen. Gerade Obst, Gemüse und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse bekommt man häufig ganz in der Nähe vom Biobauern, auf dem Wochenmarkt oder im örtlichen Gemüseladen – ohne Plastik.
Und für alle, denen das noch nicht reicht, gibt es reichlich Onlineshops die Kosmetika, Reinigungsmittel, Büroartikel, Lebensmittel und vieles mehr ohne Plastikverpackungen anbieten. Es gibt also für jeden eine Lösung, und wenn Zero-Waste nicht sofort klappt, kann man ja schon mal mit 50%-Less-Waste anfangen.
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